Angesichts des herrschenden Niedrigzinsumfelds sind Anleger zur Allokation risikoreicher Assets gezwungen. Viele Rendite generierende Produkte wie beispielsweise Aktien gehen mit diversen Risiken einher. Einen lukrativen Mittelweg zwischen risikoarmen Standardanleihen (Fixed-Income-Investment) und risikoreicheren Aktienanlagen können Wandelschuldverschreibungen darstellen. Wandelschuldverschreibungen sind zwar zumeist geringer verzinst als andere Schuldverschreibungen, dafür können Investoren durch das mit diesen einhergehende Wandlungsrecht in Stammaktien langfristig von höheren Renditen profitieren. Anleger partizipieren an steigenden Aktienkursen und sind in fallenden Märkten zugleich aber auch zu einem gewissen Grad nach unten geschützt (Kapitalschutzcharakter).
Charakteristika von Wandelschuldverschreibungen
Eine Wandelschuldverschreibung (Synonyme: Wandelanleihe, Convertible Bond, Convertible) ist eine von einer Aktiengesellschaft (AG) wie einem Unternehmen oder einer Bank emittierte Schuldverschreibung (§ 793 BGB), die dem Inhaber grundsätzlich folgende Rechte einräumt:
- Anspruch auf Rückzahlung des Nennwerts bei Nichtausübung des Wandlungsrechts
- Anspruch auf Zahlung von festen Zinsen während der Laufzeit
- verbrieftes Wandlungsrecht (= Recht, die Anleihe innerhalb einer im Emissionsprospekt fixierten Frist und zu vorgegebenen Terminen in eine festgelegte Anzahl an Stammaktien der emittierenden Gesellschaft umzuwandeln)
Eine Wandelanleihe stellt daher ein festverzinsliches Wertpapier mit einem Umtauschrecht in Stammaktien dar, das durch den Zinskupon, die Laufzeit (Duration) und Wandlungsfrist, dem Wandlungsverhältnis sowie den Nennwert definiert ist. Der Preis einer Wandelanleihe ist vom Aktienkurs und der Bonität des begebenden Unternehmens sowie dem Zinsniveau abhängig. Wandelanleihen können sich zudem in verschiedenen vertraglich festgelegten Punkten wie beispielsweise dem vorzeitigen Kündigungsrechts des begebenden Unternehmens oder Restriktionen in Bezug auf das Wandlungsrecht unterscheiden.
Der Titelinhaber hat dabei das Recht, aber nicht die Verpflichtung sein Wandlungsrecht wahrzunehmen. Die Umtauschfrist (auch Conversion Period) beginnt zumeist bereits wenige Tage nach der Ausgabe und endet wenige Tage vor Ablauf der Laufzeit. Die Anzahl der im Rahmen einer Wandlung erwerbbaren Stammaktien ist von den in den Emissionsbedingungen festgelegten Wandlungsverhältnis abhängig. So bedeutet beispielsweise ein Wandlungsverhältnis von 2, dass eine Anleihe in zwei Stammaktien umgewandelt werden kann. Das Wandlungsverhältnis erlaubt zudem die Ableitung des Wandlungspreises. Bei einem Wandlungsverhältnis von 2 und einem Nominalwert von 100 Euro beträgt der Wandlungspreis 50 Euro. Mit Ausübung des Wandlungsrechts verzichtet der Inhaber im Gegenzug auf weitere Zinszahlungen sowie den Anspruch auf die Rückzahlung des Nennwerts, die Anleihe geht also unter.
Wandelanleihen sind hyprides Kapital
Aufgrund des beschriebenen Optionscharakters stellt eine Wandelanleihe hybrides bzw. mezzanines Kapital dar. Denn sie verknüpft Charakteristika der Unternehmensanleihe mit denen einer Aktie. Während der Laufzeit der Anleihe ist der Anleiheninhaber Gläubiger bzw. Investor, nach Wahrnehmung des Wandlungsrechts Aktionär bzw. Teilhaber des emittierenden Unternehmens. Aus der Perspektive des Unternehmens wird mit der Wandlung Fremd- zu Eigenkapital. Wird das Wandlungsrecht nicht wahrgenommen und die Anleihe bis zur Endfälligkeit gehalten, muss diese mit Ablauf der Laufzeit getilgt werden. Zudem fallen in aller Regel jährliche Zinszahlungen an den Gläubiger an, wenngleich diese aufgrund des verbrieften Wandlungsrechts über eine niedrigere Verzinsung als andere Anleihen verfügen.
Ob eine Umwandlung für den Anleiheninhaber interessant ist, ist vom Aktienkurs des begebenden Unternehmens abhängig. Da der Anleger selbst entscheiden kann, ob er sein Wandlungsrecht ausübt, wird dieser sein Wandlungsrecht lediglich bei einer vorteilhaften Aktienkursentwicklung ausüben. Gewinn entsteht für den Anleiheninhaber erst, wenn der Kurswert aus der Summe der umgewandelten Aktien über dem Kaufpreis der Anleihe liegt.
Daher wird bei der Begebung das Wandlungsverhältnis in aller Regel so gewählt, dass der Anleihenkäufer eine Wandlung als lukrativ betrachtet und bereit ist, eine entsprechende Optionsprämie zu zahlen (Option i. a. R. bei einem Delta-Faktor um 0,5). Steigt der Aktienwert sehr stark (Option bei einem Delta-Faktor bei 1), ist die Wahrscheinlichkeit einer Wandlung sehr hoch und die Wandelanleihe befindet sich im aktienähnlichen Bereich. Sinkt dagegen der Aktienkurs stark (Option bei einem Delta-Faktor nahe 0), ist eine Wandlung nahezu auszuschließen und die Wandelanleihe bewegt sich im anleihenähnlichen Bereich.
Rechtliche Grundlagen
Die gesetzliche Grundlage für Wandelanleihen stellt § 221 AktG dar, wobei die Wandelschuldverschreibung in § 221 Abs. 1 S. 1 AktG legal definiert ist. Die Hauptversammlung muss der Emission einer Wandelschuldverschreibung und somit auch der mit dieser einhergehenden Kapitalerhöhung (= Erhöhung des Grundkapitals einer AG) gemäß § 221 Abs. 1 AktG mit einer Dreiviertelmehrheit, also 75 Prozent des bei der Beschlussfassung vertretenden Grundkapitals, zustimmen. Eine Kapitalerhöhung geht ceteris paribus mit einer Verwässerung des Aktienkurses einher, wenn der Bezugspreis der Anleihen niedriger als der Börsenkurs der alten Stammaktien ist.
Gemäß § 221 Abs. 4 i.V.m. § 186 AktG steht den Aktionären daher zum Schutz gegen Vermögenseinbußen infolge von Verwässerungen ein Bezugsrecht zu, um ihren Anteil am Grundkapital der AG konstant halten zu können. Allerdings besteht dieser Schutz der Altaktionäre anders als bei anderen Arten der Kapitalerhöhung nicht automatisch und muss von der Hauptversammlung beschlossen werden.
Zur Erfüllung des Wandlungsrechts wird zweckmäßigerweise bedingtes Kapital in korrespondierender Höhe geschaffen. Der Nennwert des bedingten Kapitals darf nicht über die Hälfte des Grundkapitals hinausgehen (§ 192 AktG Abs. 3), bei Belegschaftsaktien gilt eine Grenze von 10 % des Grundkapitals. Die Ausgabe der Wandelanleihe folgt in aller Regel der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung über die bedingte Kapitalerhöhung. Die Kapitalerhöhung wird erst mit Ausgabe der Bezugsaktie realisiert.
Eine bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 bis 201 AktG) erfolgt grundsätzlich durch eine Bareinlage, kann aber unter den in § 194 AktG genannten Voraussetzungen auch als Sacheinlage erbracht werden. § 194 AktG soll in erster Linie eine effektive Kapitalaufbringung sichern, da mit diesem die Möglichkeit einer präventiven Wertkontrolle und damit eines Schutzes der Altaktionäre vor Verwässerung und der künftigen Aktionäre vor Insolvenz- und Kursrisiken infolge einer Unterdeckung geschaffen wird. Zugleich werden aber spezifische Formen der Sacheinlage von den geltenden Anforderungen vollständig oder partiell befreit. Die in § 194 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AktG genannten Ausnahmen (Umtausch von Schuldverschreibungen gegen Bezugsaktien, Einlage von arbeitnehmerseitigen Gewinnbeteiligungen) vereinfachen die Ausgabe von Wandelanleihen und Arbeitnehmeraktien und sorgen so für einen praxistauglichen Charakter.
Ad-hoc Meldepflicht
Bei der bedingten Kapitalerhöhung knüpft die Veröffentlichungspflicht i. S. v. § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aufgrund der Ausgabenankündigung neuer Aktien an den korrespondierenden Hauptversammlungsbeschluss an. Nach Beschlussfassung durch die Hauptversammlung ist dieser inhaltlich gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG unverzüglich im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Zudem besteht eine Veröffentlichungspflicht in Bezug auf die beschlossene Zweckbestimmung des bedingten Kapitals (Festlegung, wer auf die neuen Aktien Bezugsrechte erhalten soll), wenn die Hauptversammlung zeitgleich die Bezugsrechte auf die Wandelschuldverschreibung geregelt hat. Hat die Hauptversammlung dagegen den Vorstand ermächtigt, das Bezugsrecht bei Anleihenausgabe zu regeln, besteht erst bei Ausnutzung der Ermächtigung Veröffentlichungspflicht. Im Falle eines unverzüglich im Bundesanzeiger veröffentlichten Bezugsangebots an die Aktionäre nach § 221 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 186 Abs. 5 S. 2 AktG gilt dieses als anderweitige Veröffentlichung i. S. d. § 49 Abs. 1 Satz 2 WpHG.
Vorteile für Unternehmen
Wandelanleihen bieten begebenden Unternehmen die Möglichkeit, sich günstig Fremdkapital zu verschaffen, da ihr Zinskupon aufgrund des Wandlungsrecht unter dem anderer Anleihen liegt. So schätzen Experten beispielsweise bei einer fünfjährigen Wandelanleihe eines Triple-B-Emittenten den Refinanzierungsvorteil gegenüber konventionellen Unternehmensanleihen auf eine Ersparnis von 2,5 bis 3,5 Prozentpunkte. Über dieses Finanzinstrument können Unternehmen darüber hinaus die Basis ihrer Kapitalgeber diversifizieren.
Vorteile für Anleger
Wandelanleihen kombinieren, wie beschrieben, Charakteristika einer Unternehmensanleihe mit der einer eingebundenen (Long) Call-Option. Sie stellen daher eine defensive Möglichkeit zur Erhaltung von Aktienexposure dar.
Ein Vorteil des Finanzinstruments liegt darin, dass der Anleger entscheiden kann, ob und wann er sein Wandlungsrecht ausübt. Damit wird dem Kapitalgeber ermöglicht, am Kursgewinn der Stammaktie der begebenden AG zu partizipieren und sich langfristig trotz der gegenüber anderen Schuldverschreibungen geringeren Zinsen eine höhere Rendite zu sichern. Denn steigt der Aktienkurs des emittierenden Unternehmens, kann der Inhaber durch Wandlung und Aktienverkauf zusätzliche Gewinne realisieren. Bei stagnierenden oder fallenden Kursen ist eine Umwandlung nicht lukrativ. Daher wird das Wandelrecht nicht wahrgenommen; es werden weiterhin die vertraglich fixierten Zinsen gezahlt und der Anspruch auf Rückzahlung des Nennwerts besteht weiterhin. Wandelanleihen offerieren entsprechend die Sicherheit einer konventionellen Schuldverschreibung (Kapitalschutzcharakter) mit dem Ertragspotenzial einer Aktie. Inhaber profitieren entsprechend vom Aufwärtstrend einer Stammaktie und sind zugleich bei Abwärtsbewegungen geschützt. Dies manifestiert sich auch in folgender Faustregel: Wandelanleihen partizipieren zu zwei Drittel am Aufwärtstrend (hohes „Upside Capture“), aber nur zu einem Drittel am Abwärtstrend einer Aktie (niedriges „Downside Capture“). Das Instrument bietet daher die Möglichkeit zur kontrollierten Spekulation.
Deutlich geringere Volatilität
Global betrachtet, haben Wandelanleihen in aller Regel seit 1994 eine ähnliche Performance wie globale Aktien gezeigt. Zugleich hat die Volatilität des Instruments verglichen mit den Aktienmärkten lediglich bei 40 bis 60 Prozent gelegen. Daher bieten Wandelanleihen eine gute Möglichkeit zur Portfoliooptimierung und Reduzierung des Verlustrisikos.
Spezielle Formen der Wandelschuldverschreibung
Die einzelnen Titel können sich stark durch Details im Emissionsprospekt unterscheiden, um Risiken wie beispielsweise Verwässerungseffekt oder Fusionsgefahr zu minimieren. So werden beispielsweise auch sogenannte „nicht verwässernde“ Produkte, die spezielle Strukturcharakteristika wie beispielsweise Dividendenschutzklauseln oder Regeln für Übernahmen und Fusionen aufweisen, angeboten. Auch eine Wandelpflicht an Stelle einer -option ist möglich, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Pflichtwandelanleihe (auch Zwangswandelanleihe oder Mandatories): Bei einer Pflichtwandelanleihe verpflichtet sich der Investor, diese spätesten zum Ende der Laufzeit umzuwandeln. Derartige Titel gehen entsprechend mit einem höheren Risiko für den Anleger einher, da starke Kursverluste innerhalb der Laufzeit zu korrespondierenden Renditeverlusten führen.
Bedingte Pflichtwandelanleihe bzw. Contingent Convertible Bond (kurz: CoCo-Bond): Bei derartigen Anleihen besteht kein verbrieftes Wandlungsrechts des Anleihegläubigers. Stattdessen erfolgt die Wandlung automatisch, wenn bestimmte in den Anleihebedingungen fixierte Ereignisse eintreten. Damit nimmt der Gläubiger eine spezifische Unsicherheit in Kauf, die er sich durch eine erhöhte Renditeforderung (Risikoprämie) kompensieren lassen kann. Die Risikoprämie fällt dabei umso höher auf, je ungünstiger die Wandlungsbedingung ist. Dies gilt insbesondere bei Wandlungen, die durch Krisenindikatoren ausgelöst werden, da er hier mit der Wandlung in die Position eines haftenden Eigenkapitalgebers wechselt. So sind CoCo-Bonds beispielsweise häufig an das Unterschreiten einer spezifischen Eigenkapitalquote des begebenden Unternehmens gebunden. CoCo-Bonds zielen prinzipiell auf eine Reduzierung des Leverage-Risikos, da automatisch eine Schuldenminderung und Aufstockung des Eigenkapitals erfolgt.
Umgekehrte Wandelanleihe: Bei einer umgekehrten Wandelanleihe steht das Recht auf die Entscheidung über eine Umwandlung nicht beim Anleger, sondern beim Schuldner bzw. Emittenten (§ 221 Abs. 1 AktG). Übt der Emittent sein Wahlrecht aus, wird die Wandlung zur Pflicht. Umgekehrte Wandelanleihen sollen eine Sicherheitsvorkehrung für Krisensituationen darstellen, da mit diesen die Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps auf Vorrat geschaffen ist.
Umtauschanleihe (Exchangeable): Bei Umtauschanleihen wird die Anleihe nicht in die Stammaktie der begebenden, sondern einer dritten, im Bestand des Emittenten befindlichen Gesellschaft umgewandelt. Entsprechend geht eine Umtauschanleihe nicht mit einer Kapitalerhöhung für den Emittenten einher.